Malen am Hof in Niederursel

ROTA

Rotatherapie


Die Rotatherapie ist eine empirisch gewachsene neurophysiologische Behandlungsmethode durch die es möglich ist, Störungen in der senso-motorischen Entwicklung positiv zu beeinflussen. Sie wirkt auf Bereiche im Gehirn, welche die Steuerung der gesamten Körperspannung, der Haltungs- und Bewegungsmuskulatur regeln. Rotatherapie kann in allen Altersstufen vom Säugling bis zum Erwachsenen angewendet werden.

Mit der Rotatherapie werden Störungen behandelt, die mit einer zu hohen oder zu niedrigen Körperspannung (Hypertonus bzw. Hypotonus) einhergehen. Dabei ist häufig zu beobachten, dass sich die Auffälligkeiten nicht nur auf die Motorik und Haltung beschränken, sondern ebenso sensorische, vegetative und emotionale Bereiche betreffen können. Auch viele schulische Probleme haben ihre Ursache in dieser sogenannten Zentralen Koordinationsstörung.

Durch gezielte Übungen, bei denen die Rotation im Körper (Drehung der Wirbelsäule) und die Rotation des Körpers im Raum eine wichtige Rolle spielen, ist es möglich, die Tonusregulation positiv zu beeinflussen.

Was ist eine Zentrale Koordinationsstörung?

Wenn ein Kind geboren wird, ist es normal, dass viele Organe, unter anderem das Zentralnervensystem, nicht ausgereift sind. Daher ist die Grundmuskelspannung beim Neugeborenen niedrig und es bewegt sich zunächst mit Hilfe sogenannter frühkindlicher - oder Primitivreflexe. Durch die zunächst passiven und später zunehmend aktiven Impulse der Bewegung reift das Zentralnervensystem allmählich weiter aus. Damit ist verbunden, dass sich die Myelinscheiden der Nervenbahnen vollständig ausbilden. Die Grundmuskelspannung ist dann stabil (normoton) und die frühkindlichen Reflexe sind nicht mehr auslösbar.

Zentrale Koordinationsstörung bedeutet, dass die Ausreifung des Zentralnervensystems nicht vollständig erreicht wurde. Dies heißt, dass die Grundmuskelspannung instabil bleibt und die willkürlichen Bewegungen durch die dann noch auslösbaren frühkindlichen Reflexe gestört werden. Unfälle oder bestimmte neurologische Erkrankungen können ebenfalls eine Störung des Zentralnervensystems auslösen. Die frühkindlichen Ursachen sind vielfältig. Sie können genetisch bedingt sein, durch Störungen in der Schwangerschaft (z.B.: Schocks, Alkohol, Medikamente) oder durch Unregelmäßigkeiten bei der Geburt (z.B.: Sauerstoff-unterversorgung, Kaiserschnitt, Nabelschnurumschlingung, Infektionen) ausgelöst werden.

Ein Störungsbild - viele Symptome

Die Symptome, die bei einer Störung des Zentralnervensystems auftreten können, sind vielfältig ebenso wie die Ursachen. Sie können relativ leicht sein, wie z.B. immer wieder auftretende Verspannungen. Sie können aber auch zu so extremen Anspannungen, wie es bei spastischen Störungen der Fall ist, führen. Zusätzlich beobachten wir zwei Polaritäten:

Zusätzlich kann es zu weiteren unterschiedlichen Symptomen kommen, je nachdem, welcher der noch auslösbaren frühkindlichen Reflexe vorherrschend ist.

Durch den gestörten Muskeltonus kommt es zu Körperwahrnehmungsstörungen, die im weiteren Verlauf der Entwicklung zu Funktions- und Verhaltensstörungen führen können.

So kann die Rotatherapie hilfreich sein bei:

Frühkindliche- oder Primitivreflexe

Die frühkindlichen Reflexe oder Primitivreflexe werden bereits im Mutterleib angelegt, sollten bei der Geburt ihren Höhepunkt erreicht haben und im Zuge der Bewegungsentwicklung und der damit verbundenen Ausreifung des Zentralnervensystems allmählich abklingen. Frühkindliche Reflexe sind unwillkürlich ablaufende Reaktionen, die zunächst dem Neugeborenen das Überleben unter den neuen Bedingungen ermöglichen, wie z.B. der Greif- oder Saugreflex.
Entwickelt sich das Kind gesund, so werden die Reflexe im Laufe des ersten Lebensjahres abgeschwächt bis sie nicht mehr auslösbar sind. Sind diese Reflexe von Beginn an zu dominant und bleiben über das erste Lebensjahr hinaus auslösbar, so stören sie die weitere Entwicklung des Kindes. Man spricht dann von persistierenden frühkindlichen Reflexen.
Ich möchte das an einigen Beispielen veranschaulichen:

Beim Handgreifreflex oder Palmar-Reflex schließt sich die Hand des Kindes bei Berührung oder Druck auf die Handinnenfläche. Bleibt dieser Reflex zu lange aktiv, so hat dieses Kind Mühe, die Hand zu öffnen, so lange etwas die Innenfläche berührt. Das Übergeben von der einen in die andere Hand und damit eine gute Koordination der Hände ist erschwert. Später können Schwierigkeiten mit der Feinmotorik z.B. der Stifthaltung dazu kommen.

Der Spinale Galant-Reflex wird durch einen Reiz am unteren Rücken ausgelöst z.B. durch Stuhllehnen oder dem Gummiband der Hose. Es erfolgt eine reflexartige Streckung im unteren Rücken und das Wasserlassen wird ausgelöst. Bleibt dieser Reflex bis in das Schulalter aktiv, können die Folgen motorische Unruhe bis zur Getriebenheit, Konzentrationsschwäche, Bettnässen und Einnässen am Tag sein. Die Kinder versuchen durch Ausweichbewegungen die Reflexauslösung zu vermeiden und entwickeln dadurch ein auffälliges Gangbild. Viele mögen keinen Gummibund und keine engen Hosen.

Neben diesen und einigen weiteren eher auf eine bestimmte Körperstelle bezogenen Reflexe gibt es auch Ganzkörperreflexe. Diese lösen durch eine Kopfbewegung eine reflexartige Bewegung des ganzen Körpers aus. Auch hier möchte ich zwei Beispiele nennen:

Der Tonische-Labyrinth-Reflex (TLR) wird durch die Beugung des Kopfes zur Brust oder in den Nacken ausgelöst. Bei der Beugung zur Brust beugen sich alle Muskeln des Körpers von den Händen bis zu den Beinen und Füßen. Dabei ist der Rücken rund. Wird der Kopf nach hinten bewegt, führt dies zur Streckung des ganzen Körpers mit Hohlkreuz. Da der Körper sofort auf Kopfbewegung reagiert, haben die Kinder oder auch Erwachsenen u.a. Mühe mit der visuellen Wahrnehmung, dem Gleichgewicht, der Hörverarbeitung, bei alternierenden Bewegungen und solchen, die die Körpermitte kreuzen.

Der Asymmetrisch-Tonische-Nackenreflex (ATNR) auch Fechterreflex genannt wird beim Drehen des Kopfes nach rechts oder nach links ausgelöst. Dreht sich der Kopf nach rechts, so strecken sich alle Muskeln der rechten Körperseite reflexartig, die der linken Körperseite beugen sich unwillkürlich und umgekehrt. Bleibt dieser Reflex über das erste Lebensjahr hinaus auslösbar, sind die möglichen Folgen:

Spätestens bei dem zuletzt genannten Reflex wird deutlich, dass eine solche Belastung nicht nur zu motorischen Problemen führt, sondern auch Wahrnehmungs- und Schulprobleme nach sich ziehen kann.


Wie die Rotatherapie helfen kann

Durch neurophysiologische Rotationsübungen, die an das Alter und die Betroffenheit des jeweiligen Menschen angepasst werden, können die Fehlsteuerungen der Reflexmotorik gemildert oder sogar ganz überwunden werden. Die therapeutischen Übungen knüpfen an die Bedingungen der Bewegungsentwicklung im ersten Lebensjahr an. Wichtige Impulse bei dieser Therapie sind neben anderen die Drehung des eigenen Körpers im Raum und die Rotation der Wirbelsäule in sich. Diese Impulse, regelmäßig und lange genug ausgeführt, können eine Nachreifung des Zentralnervensystems fördern und so regulierend auf den Muskeltonus wirken. Die zu niedrige oder zu hohe Körperspannung kann ausgeglichen werden und die Kopfkontrolle wird stabiler. Dadurch werden die körperlichen Voraussetzungen geschaffen, dass die Kinder ruhig aufrecht sitzen und sich in der Schule auf den Unterrichtsstoff konzentrieren können.

Begleitend dazu ist aber auch die Alltagsgestaltung zu Hause und in der Schule der betroffenen Kinder sehr wichtig, um Ihnen den Druck zu nehmen. Die Kinder brauchen in besonderer Weise einen strukturierten Alltag, in dem sie sich gut orientieren können und Stress vermieden wird. Sinnvoll sind je nach Tätigkeit angepasste gute Sitzmöglichkeiten, um den Rücken zu entlasten. Es kann sein, dass eine Zeit lang bestimmte Sportarten reduziert werden sollten, wenn dabei die frühkindlichen Reflexe aktiviert werden. Zusätzlich ist es wichtig, zu beobachten, ob das Kind im Schlaf in Anspannung kommt. Falls dies der Fall ist, wird mit den Eltern besprochen, welche individuellen Möglichkeiten es gibt, das zu vermeiden. Die therapeutischen Maßnahmen greifen umso besser, je weniger bei diesen Kindern im Alltag die noch aktiven frühkindlichen Reflexe ausgelöst werden.

Je früher die Zentrale Koordinationsstörung erkannt und therapeutisch begleitet wird, umso leichter lassen sich spätere Unregelmäßigkeiten vermeiden. Die Rotatherapie kann schon bei Säuglingen sowohl präventiv als auch therapeutisch sinnvoll angewendet werden. Im Erwachsenenalter ist sie eine hilfreiche Begleitung bei vielen Problemen des Bewegungsapparates und neurologischen Krankheitsbildern. Es ist nie zu spät damit zu beginnen.